Was ist PIED?

Auf englischsprachigen Webseiten zu Thema Pornosucht trifft man immer wieder auf die Abkürzung PIED. PIED steht für Porn Induced Erectile Dysfunction. Übersetzt könnte man also sagen, dass es sich um durch Pornokonsum hervorgerufene Erektionsstörungen handelt. Hierbei kann man eine Erektion bei Anschauen von Pornos bekommen, aber nicht (oder nicht zufriedenstellend) mit einer echten Partnerin.

Normalerweise treten Erektionsstörungen eher im gehobenen Alter auf und haben physiologische Gründe. Bei jungen Männern war das Problem bis vor wenigen Jahrzehnten dahingegen kaum vorhanden. Seitdem berichten immer mehr jüngere Männer von Erektionsstörungen. Das ist definitiv nicht normal und muss andere als natürliche und physiologische Gründe haben.

Kann Pornografie für Erektionsstörungen verantwortlich sein?

Diese Frage stellten sich auch einige Forscher im Jahre 2016 und untersuchten die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema [1]. Dabei versuchten sie zuerst der Frage nachzugehen, ob sich überhaupt in den letzten Jahren und Jahrzehnten etwas geändert hat und ob ein Problem vorliegt.

Es würde hier zu weit führen, auf jede einzelne Studie oder Umfrage einzugehen, daher hier nur eine kurze Übersicht. Im Jahre 2011 lag die Quote junger, europäischer Männer im Alter von 18 bis 40 Jahren mit Erektionsstörungen bei 14-28% (je nach Land und Umfrage). Das ist mehr, als eine Studie in den Jahren 2001 und 2002 bei älteren Männern im Alter von 40 bis 80 fand. Schweizer Forscher fanden im Jahre 2012 ED-Raten von 30% in der Altersgruppe 18-24. Das ist eine unvorstellbare Zahl für dieses Alter. Eine Studie mit Mitgliedern der US-Streitkräfte im Jahre 2014 fand, dass sich die Anzahl an Erektionsproblemen zwischen 2004 und 2013 mehr als verdoppelt hatte.

Dies ist eine schockierende Entwicklung und lässt sich bei Jugendlichen und jungen Männern nicht mit dem natürlichen Alterungsprozess erklären. Man kann anhand solcher Studien und Umfragen natürlich keine Ursache beweisen. Aber man muss sich schon die Frage stellen, welche Variable sich in den Jahren zwischen der Jahrtausendwende und heute geändert hat, dass solche starken Auswirkungen zu verzeichnen sind. Eine logische Antwort ist Internetpornografie. Die Verbreitung von schnellem Internet und den großen Pornoseiten hat nach der Jahrtausendwende rasant zugenommen. Auch die Erfindung von Smartphones und mobilem Internet waren eine neue Entwicklungsstufe.

Auch in der im Artikel Was ist Pornosucht? erwähnten Studie der Cambridge University [2] wurde gezeigt, dass die Pornosüchtigen in der Studie Potenzprobleme mit echten Partnerinnen hatten, aber nicht mit sexuell explizitem Material. Dies bestätigt die Erfahrungen, die tausende junger Männer in Internetforen zum Thema im Laufe der Jahre miteinander teilten.

Was ist der Mechanismus hinter PIED?

Der Mechanismus hinter PIED ist heute noch nicht ganz klar, da die Forschung noch in den Kindesbeinen steckt. Es liegt aber auf der Hand, dass es mit Desensitivierung/Toleranz zusammenhängt.

Internetpornografie überfordert das Belohnungssystem des Gehirns. Eine echte Partnerin kann mit der grenzenlosen Auswahl an Pornoszenen und Genres im Internet nicht mithalten. Es wird immer schwieriger eine Erektion zu bekommen, wenn keine Pornografie involviert ist. Das Problem liegt also zwischen den Ohren und nicht zwischen den Beinen.

Internetpornografie sorgt für einen scheinbar endlosen Coolidge-Effekt. Im Artikel dazu erwähnte ich die männliche Ratte, die nach dem Paarungsakt mit ein und derselben Partnerin relativ schnell das Interesse verlor. Dies geschah aber nicht, wenn die weibliche Ratte nach jedem Paarungsakt ausgetauscht wurde.

Das Gehirn kann nur schwer zwischen Realität und Fiktion unterscheiden. Das bedeutet, dass Masturbieren zu Pornografie sich für das Gehirn anfühlt wie Geschlechtsverkehr mit einer Partnerin. Die schier endlose Zahl an Videos im Internet sorgt dafür, dass unser Gehirn denkt, wir hätten den Jackpot geknackt und alle paar Sekunden eine neue Partnerin. Die Realität, d.h. die eigene Frau/Freundin, kann mit dieser Reizüberflutung nicht konkurrieren. Daher wird es schwer, ohne die ständig wechselnden Bilder und Videos aus dem Internet eine Erektion zu bekommen.

Ein Test für PIED

Leider gibt keinen Test, den man mal eben beim Arzt durchführen kann, und der eine Antwort darauf gibt, ob die Erektionsprobleme vom Pornokonsum kommen oder andere Ursachen haben. Es gibt aber einen Test, den man ganz einfach zuhause durchführen kann. Diesen Test schlug der leider viel zu früh verstorbene Gary Wilson vor, der Gründer von YourBrainOnPorn.

Ein Problem bei der Suche nach der Ursache ist, dass beim Sex mit Partnerin durchaus relativ häufig Nervosität bzw. Versagensangst (engl.: Performance Anxiety) auftreten kann. Kann man also keine Erektion bekommen, lässt sich oftmals nicht zweifelsfrei festlegen, ob es entweder Versagensangst oder pornobedingt sein kann.

Der Test funktioniert nun folgendermaßen: Man versucht ohne Pornografie und ohne Porno-Fantasien zu masturbieren. Nur durch Berührung alleine. Für einen gesunden, jungen Mann war das früher eigentlich immer problemlos möglich. Kann man so aber keine Erektion bekommen (oder erhalten) mit Pornos oder Porno-Fantasien aber schon, liegt PIED vor. Denn niemand sollte Versagensangst alleine mit der eigenen Hand haben.

Wie lange dauert es, bis PIED wieder verschwindet?

Diese Frage ist leider nicht wirklich zu beantworten, da es von einigen Umständen abhängt. Etwa um das Jahr 2010 herum fanden sich die ersten Pornosüchtigen im Internet zusammen und tauschten ihre Erfahrungen aus. Dabei handelte es sich meistens um Männer, die in einer Zeit vor der Verbreitung von Internetpornografie aufgewachsen waren und erst später mit dieser in Kontakt kamen. Diese Gruppe benötigte oft 6-8 Wochen, um eine Vollständige Heilung von PIED zu erfahren.

Leider hat sich seitdem einiges zum Negativen verändert. Es sind mehrere Generationen nachgekommen, die mit Internetpornografie aufgewachsen sind und schon in sehr jungen Jahren damit in Kontakt kamen. Diese Gruppe berichtet, dass sie oft Monate und teilweise sogar mehr als ein Jahr benötigten, um PIED vollständig hinter sich zu lassen. Besonders in NoFap-Kreisen ist die Zahl von 90 Tagen als Ziel sehr beliebt. Allerdings gibt es dafür nicht wirklich eine Basis und die Zahl ist veraltet. Es ist von Person zu Person unterschiedlich.

Es hängt also von vielen Faktoren ab: Wann man angefangen hat, ob man Erfahrung mit echten Partnerinnen hat, welches Material man geschaut hat und für wie lange. Eine ist aber sicher: Wie lange es auch immer dauern mag, es ist die Zeit wert. Ein Leben ohne Pornos und PIED ist so viel besser als ein Leben als Pornosüchtiger.

 

 

[1] Park et al. – Is Internet Pornography Causing SexualDysfunctions? A Review with Clinical Reports

[2] Voon et al. – Neural Correlates of Sexual Cue Reactivity in Individuals with and without Compulsive Sexual Behaviours

4 Kommentare zu „Was ist PIED?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert