Was ist Pornosucht?

Gerade für Beginner, die zum ersten Mal auf das Thema Pornosucht stoßen, kann das Thema sehr verwirrend sein. Daher will ich hier der Frage Was ist Pornosucht? genauer nachgehen. Gerade heutzutage, in Zeiten von Smartphone und mobilem Internet, ist das wichtiger denn je zuvor. Es gibt immer mehr Männer mit Erektionsstörungen und das Problem betrifft mehr und mehr junge und ansonsten gesunde Männer. 

In diesem Artikel geht es vor allem um die Theorie hinter Pornosucht. Meine Gedanken zur Lösung des Problems habe ich unter Pornosucht Besiegen – Aber wie? zusammengefasst.

Können Verhaltensweisen süchtig machen?

Wenn man über das Thema Sucht nachdenkt, denken die meisten Menschen an harte Drogen wie Kokain, Heroin oder Meth sowie an gesellschaftlich akzeptierte Stoffe wie Alkohol und Nikotin. All diese Beispiele haben eines gemeinsam: dem menschlichen Körper wird eine körperfremde Substanz zugeführt. Dass der Konsum dieser Substanzen süchtig machen kann, ist längst keine kontroverse Meinung mehr. Man denke nur an die unzähligen Ableger der Anonymen Alkoholiker, die es in vielen Ländern gibt.

Relativ neu ist die Diskussion, ob auch gewisse Verhaltensweisen (wie z.B. auch Pornosucht) süchtig machen können. Das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders – oder auf Deutsch: Diagnostischer und statistischer Leitfaden für psychische Störungen) ist ein Standardwerk der Psychiatrie. Es liefert Definitionen für verschiedene psychische Störungen. In der 5. Auflage des DSM (DSM-5) wurde mit Internet Gaming Disorder (Internet-Spielsucht) zum ersten Mal eine Verhaltensweise als Prüffall aufgenommen. Prüffall bedeutet hier, dass weitere Studien nötig sind.

Pornosucht kann jetzt von Ärzten klassifiziert werden

Ein weiteres medizinisches Standardwerk ist das von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) herausgegebene ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems – oder auf Deutsch: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme). Dies ist etwas allgemeiner als das DSM und bezieht sich auf medizinische Diagnosen aller Art statt nur auf psychische Störungen. In der 11. Ausgabe des ICD (ICD-11) wurde neben weiteren Verhaltensweisen auch „Compulsive sexual behaviour disorder„ (was man als zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung übersetzen könnte) aufgenommen.

CSB (Compulsive Sexual Behaviour Disorder) ist noch ein relativ allgemeiner Begriff und umfasst verschiedene sexuelle Verhaltensweisen, darunter auch Pornosucht. Die Aufnahme in das ICD-11 war ein wichtiger Schritt, da Ärzte nun zum ersten Mal so etwas wie Pornosucht diagnostizieren können. Die Fachwelt öffnet sich also immer mehr für die Idee, dass Verhaltensweisen (und darunter zählt auch Pornokonsum) abhängig machen oder zumindest zu Problemen führen können.

Während man sich also früher auf körperfremde Substanzen konzentrierte und untersuchte, wie diese auf den Körper wirken, schaut man sich heutzutage mehr und mehr an, was im Gehirn passiert. Im Gehirn von süchtigen Personen spielen sich gewissen Prozesse ab, die sich unabhängig von der Substanz nicht oder nur wenig unterscheiden. Wenn dies auch für bestimmte Verhaltensweisen gilt, ist das ein wichtiger Hinweis darauf, dass auch diese süchtig machen können. Auf drei dieser Prozesse wollen wir und hier konzentrieren.

3 Anzeichen für Suchtprobleme (und damit auch Pornosucht)

Anzeichen 1: Sensitivierung (engl.: sensitization)

Um Sensitivierung zu verstehen, hilft es, sich die Definition im Wikipedia-Artikel zu diesem Thema anzuschauen. Dort heißt es:

[…]bezeichnet die Zunahme der Stärke einer Reaktion bei wiederholter Darbietung desselben Reizes.

Bezogen auf Suchtprobleme bedeutet dies, dass der gleiche Reiz oder der gleiche Trigger zu einem stärkeren Verlangen führt.

Probiert man eine Droge zum ersten Mal aus oder trifft zum ersten Mal auf Internetpornografie, verspürt man vorher noch kein Verlangen, da man noch nicht weiß, was einen erwartet. Vielmehr verspürt man Neugier. Wiederholt man aber den Konsum und ist das Erlebnis zufriedenstellend, kann das dazu führen, dass das Verlangen in Zukunft immer größer wird und man sensitiver auf Trigger reagiert. Sensitivierung steht also am Anfang von Suchtproblemen. Niemand wird als Kokain-, Alkohol- oder Pornosüchtiger geboren. Ein wiederholter Kontakt mit der Droge der Wahl ist hierfür erforderlich.

Anzeichen 2: Desensitivierung oder Toleranz (engl: desensitization)

Hiermit ist im Prinzip das Gegenteil von Sensitivierung gemeint, was auf den ersten Blick verwirrend sein mag. Wie können Sensitivierung und Desensitivierung/Toleranz gleichzeitig Anzeichen für ein und dasselbe Problem sein, wenn es sich dabei doch im gegensätzliche Enden des Spektrums handelt?

Auch hier kann ein Blick in den Wikipedia-Artikel zu Sensitivierung helfen. Dort heißt es:

Von erheblicher Bedeutung ist, dass diese Sensitivierung nur das Verlangen betrifft. Das angestrebte Gefühl (Euphorie) wird im Gegensatz zum Verlangen nicht verstärkt, sondern schwächt sich ab (Toleranzentwicklung)

Sensitivierung und Toleranz betreffen also unterschiedliche Bereiche. Man wird sensitiver gegenüber einem Reiz/Trigger (d.h. der gleiche Reiz oder der gleiche Trigger löst ein größeres Verlangen aus), das Gegenteil (Toleranz) geschieht aber bei der Befriedigung (d.h. die gleiche Dosis löst eine geringere Befriedigung aus).

Sensitivierung bedeutet: Man benötigt weniger, um das gleiche Resultat (das gleiche Verlangen) zu erzielen.

Toleranz bedeutet: Man benötigt mehr, um das gleiche Resultat (die gleiche Befriedigung) zu erzielen.

Bei einem Drogensüchtigen zeigt sich Toleranz dadurch, dass er eine größere Dosis der gleichen Droge oder eine stärkere Droge braucht, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Der Pornosüchtige verbringt mehr Zeit mit Internetpornos oder benötigt andere/härtere Genres, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Dies wird vermutlich vielen langjährigen Pornonutzern bekannt vorkommen. Zuerst sind Bilder von Frauen in Unterwäsche noch erregend, irgendwann weicht man aber auf andere Genres aus, um die gleiche Erregung zu empfinden.

Desensitiverung/Toleranz ist die Erklärung dafür, dass sich Nutzer nach Jahren oder Jahrzehnten des Pornokonsums Videos von Sexakten anschauen, die sie zu Beginn noch abstoßend gefunden hätten. Was früher erregend war, ist jetzt nicht mehr gut genug. Es muss eine neue Stufe der Eskalation her.

Anzeichen 3: Hypofrontality

„Hypo“ bedeutet niedrig. So ist z.B. mit dem englischen medizinischen Begriff „Hypoglycemia“ niedriger Blutzucker gemeint. „Frontality“ bezieht sich auf den präfrontalen Cortex (engl.: prefrontal cortex). Mit der Zusammensetzung Hypofrontality ist also umgangssprachlich eine niedrige Aktivität oder ein geschwächter präfrontaler Cortex gemeint.

Eine genaue Beschreibung dieser Gehirnregion würde hier zu weit gehen. Daher nur kurz das Wichtigste: Der präfrontale Cortex hilft uns dabei, Selbstkontrolle auszuüben und dem Verlangen nach etwas potenziell Schädlichem (Pornografie, Drogen, den Chef anbrüllen, …) nicht nachzugeben. Hypofrontality ist also mit geringerer Selbstkontrolle und Willenskraft assoziiert.

Das ist der Grund (oder zumindest einer der Gründe), warum z.B. ein Alkoholiker rückfällig wird und sich betrinkt, obwohl er genau weiß, dass es ihm schadet. Ein Teil von ihm sagt „Ja“, ein anderer sagt „Nein“. Der Teil, der „Nein“ sagt, ist der präfrontale Cortex. Und wenn dieser geschwächt ist, behält die andere Seite häufig die Oberhand.

Bin ich pornosüchtig?

Diese drei Tendenzen können auch einen Hinweis darauf geben, ob man selbst ein Problem mit Pornokonsum hat. Man könnte sich z.B. die folgenden vier Fragen beantworten:

  1. Empfinde ich ein starkes Verlangen nach Pornos, selbst bei kleineren externen Triggern (Werbeanzeige, Frau im Supermarkt, Nacktszene in einem Film,…)? (Sensitivierung)
  2. Hat sich im Laufe der Zeit mein Pornokonsum so entwickelt, dass ich neue (oft härtere) Inhalte brauche, um erregt zu sein, und/oder verbringe ich mehr und mehr Zeit mit Internetpornos? (Toleranz)
  3. Wenn ich den Entschluss fasse, keine Pornos mehr zu schauen, habe ich dann Probleme diesen Entschluss umzusetzen und werde rückfällig, obwohl ich mir der negativen Folgen bewusst bin? (Hypofrontality / mangelnde Selbstkontrolle)

Werden mehrere oder alle dieser Fragen mit Ja beantwortet, ist das ein deutlicher Hinweise darauf, dass der Pornokonsum problematisch ist und über eine reine Gewohnheit hinausgeht. Wer sich mit der Frage Bin ich pornosüchtig? genauer beschäftigen will, kann hier einen Test machen.

Studien zum Thema Pornosucht

Um die Frage zu beantworten, ob Pornokonsum abhängig machen kann, ist es wichtig, dass wissenschaftliche Studien diese und weitere Merkmale auch bei Pornonutzern finden. Auch wenn die Forschung immer noch in den Kindesbeinen steckt, hat es in den letzten Jahren doch einige Studien gegeben.

Pornokonsum ist mit Hypofrontality und Toleranz assoziiert

Im Jahr 2014 wollten Forscher des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung [1]  in Berlin der Frage nachgehen, ob häufiger Pornokonsum mit der Menge an Grauer Substanz („Gray Matter“) in bestimmten Gehirnregionen (u.a. dem präfrontalen Cortex) korreliert sei. Hierfür fragten sie 64 Versuchspersonen (im Alter von 21-45 Jahren) nach ihren Angewohnheiten zum Pornokonsum. Anschließend nahmen sie Messungen verschiedener Gehirnaktivitäten mittels Magnetresonanztomographie (MRT, engl.: MRI) vor. Hierbei fanden die Forscher eine negative Korrelation1 zwischen der Menge an Pornografie, die Versuchspersonen pro Woche konsumierten, und Grauer Substanz in verschiedenen Gehirnregionen und Vernetzung des präfrontalen Cortex mit anderen Gehirnregionen. Dies deutet darauf hin, dass regelmäßiger Pornokonsum mit Hypofrontality assoziiert ist.

In der Studie wurde den Versuchspersonen auch Bilder mit pornografischen Inhalten gezeigt. Dabei fanden die Forscher Anzeichen für Toleranz. Zitat: „This is in line with the hypothesis that intense exposure to pornographic stimuli results in a downregulation of the natural neural response to sexual stimuli.“ (Übersetzung mit deepl: „Dies steht im Einklang mit der Hypothese, dass eine intensive Exposition gegenüber pornografischen Reizen zu einer Herunterregulierung der natürlichen neuronalen Reaktion auf sexuelle Reize führt.“)

Auch Studie aus Cambridge zeigt Probleme durch Pornokonsum

Ebenfalls im Jahre 2014 wurde eine Studie der University of Cambridge[2] durchgeführt, die sich mit dem Thema Pornosucht beschäftigte und ebenfalls die Gehirnstruktur der Versuchspersonen untersuchte. Im Unterschied zur Studie des Max-Planck-Instituts wurden die „Versuchskaninchen“ hier nicht zufällig ausgewählt, sondern es wurde gezielt nach Leuten gesucht, die entweder von einem Therapeuten Probleme mit Pornografie bescheinigt bekamen oder sich diese selbst bescheinigten. Außerdem gab es eine Kontrollgruppe mit Menschen ohne Probleme mit Pornokonsum (sowohl die Versuchsgruppe als auch die Kontrollgruppe bestand aus 19 Personen).

Auch hier wurde mittels MRT (MRI) geschaut, was in den Gehirnen der Versuchspersonen vorgeht, wenn diese Videos mit pornografischen Inhalten oder normale Videos ohne sexuelle Inhalte anschauten. Außerdem wurden auch Fragebögen ausgefüllt. Dabei kam heraus, dass die Versuchsgruppe bei den sexuell expliziten Videos ein größeres Verlangen spürte als die Kontrollgruppe, ihnen die Videos aber nicht mehr gefielen als der Kontrollgruppe. Dies kann sowohl als Anzeichen für Desensitivierung (größeres Verlangen) als auch Toleranz (keine größere Befriedigung) angesehen werden. Ein weiteres Zeichen für Toleranz war, dass die Versuchsgruppe von größeren Erektionsproblemen mit einer Partnerin berichtete, aber nicht beim Anschauen von sexuell expliziten Inhalten („das Original“ ist nicht mehr gut genug und kann mit Internetpornografie nicht konkurrieren). Die Forscher berichteten außerdem, dass in der Versuchsgruppe (die „Pornosüchtigen“) beim Anschauen von pornografischen Inhalten die gleichen Gehirnregionen aktiviert wurden, die man in früheren Studien bereits mit Kokain-, Alkohol- und Nikotinsüchtigen mit Suchtproblemen assoziierte.

Diese beiden Studien sind wohl bislang die beiden größten zu diesem Thema. Sie geben Hinweise darauf, dass Pornografie (speziell Internetpornografie) genau so abhängig machen kann wie Substanzen. Im nächsten Teil werden wir uns mit weiteren Nachteilen von übermäßigem Pornokonsum beschäftigen.

Pornokonsum verursacht Probleme

Welche Probleme Pornosucht verursachen kann, wird kontrovers diskutiert. Anbei eine (nicht vollständige) Liste mit häufigen Nachteilen und Konsequenzen, die tausende Nutzer in Onlineforen zum Thema Pornosucht wahrnahmen und die teilweise in wissenschaftlichen Studien bestätigt wurden.

PIED (Porn-Induced Erectile Dysfunction)

Unter der Abkürzung PIED versteht man Erektionsprobleme, die im Zusammenhang mit übermäßigem Pornokonsum und Pornosucht stehen. Wenn man eine Erektion beim Pornokonsum erreichen kann, aber nicht mit einer Partnerin, ist das ein Anzeichen dafür, dass die Pornos die Ursache für die Erektionsprobleme sein können. Ein anderer möglicher Grund ist Performance Anxiety. Hierbei ist die Ursache der Erektionsprobleme, dass man mit einer Partnerin Nervosität empfindet und sich selbst unter Druck setzt. Der 2021 leider viel zu früh verstorbene Gary Wilson, der yourbrainonporn.com startete, schlug folgenden Test vor: Wenn man problemlos eine Erektion mit Pornos bekommen kann, aber nicht ohne Pornos und Porno-Fantasien mit der eigenen Hand, kann man Performance Anxiety ausschließen, da man keinen Druck und keine Angst empfinden sollte, wenn es nur um die eigene Hand geht. In diesem Falle ist PIED die wahrscheinlichste Ursache.

Die im letzten Teil dieser Serie vorgestellte Studie der University of Cambridge fand ebenfalls Hinweise für PIED. Zitat: „CSB (Compulsive Sexual Behavior) subjects compared to healthy volunteers had significantly more difficulty with sexual arousal and experienced more erectile difficulties in intimate sexual relationships but not to sexually explicit material.“

Seit dem Aufkommen des Internets und der Internetpornografie kommen Erektionsprobleme immer häufiger bei jüngeren Männern vor. Historisch betraf es fast nur ältere Männer.

Viele Nutzer in Onlineforen berichten, dass dich ihre Erektionsprobleme (PIED) besserten oder ganz in Luft auflösten, wenn sie Pornos komplett aufgeben (dies kann allerdings eine längere Zeit dauern).

DE (Delayed Ejaculation)

Delayed Ejaculation beschreibt Probleme, beim Geschlechtsverkehr mit einer Partnerin (aber nicht mit Pornografie) zum Orgasmus zu kommen. Dieses Problem könnte ebenfalls mit Toleranz zusammenhängen (die Realität kann mit den Videos im Internet nicht mithalten und es wird nicht das gleiche Level der Erregung erreicht). DE kann manchmal eine Vorstufe zu PIED sein. Man erreicht zwar noch eine Erektion, die Erregung hat aber schon nachgelassen.

In diesem Artikel finden sich eine Menge Erfahrungsberichten von Nutzern, deren DE verschwand, als sie ihren Pornokonsum aufgaben.

Depressionen

Depressionen sind eine relativ häufige Begleiterscheinung von übermäßigem Pornokonsum und Pornosucht. Auch die weiter oben betrachtete Cambridge-Studie fand Hinweise darauf, dass es einen Zusammenhang zwischen Pornokonsum und Depressionen gibt. Zitat: „CSB subjects had higher depression and anxiety scores“.

Warum dies geschieht, ist nicht ganz klar. Es gibt aber einige mögliche Erklärungen. Wenn das Gehirn Toleranz durch übermäßigen Pornokonsum entwickelt, werden nicht nur frühere Videos und Bilder uninteressant. Auch Aktivitäten des alltäglichen Lebens fühlen sich weniger gut an und die Motivation sinkt. Außerdem kann es sein, dass der Pornokonsum so sehr eskaliert und man sich Genres anschaut, die den eigenen Werten widersprechen. Dies kann zu Schamgefühlen und Verzweiflung führen. Suchtprobleme führen häufig auch zu erhöhtem Stress und Isolation, wodurch sich die Depression noch verstärken kann.

Problematisch ist, wenn man in einen Teufelskreislauf gerät. Pornos verstärken die Depression und die Depression ist ein Grund dafür, warum man Pornos schaut. Dieser Teufelskreislauf findet sich bei einigen Problemen mit Bezug auf Pornografie wieder. Pornokonsum ist gleichzeitig Ursache und Wirkung für viele Symptome. Wir schauen pornografische Videos und Bilder, um mit unseren negativen Emotionen und Problemen klarzukommen. Das führt allerdings zu einer Verstärkung der negativen Emotionen und Symptome.

Nutzer, die Pornografie aufgeben, erfahren manchmal eine vorübergehende Verschlechterung der Depression. Wenn die einzige Sache (oder eine der wenigen), die einem noch Freude bereitet hat, wegfällt, hinterlässt das eine Lücke im Leben. In diesen Fällen sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

Motivationslosigkeit

Hängt damit zusammen, was oben bei Depressionen geschildert wurde. Alltägliche Dinge bereiten kein Vergnügen mehr und daher sinkt auch die Motivation dafür. Motivation wird u.a. vom Neurotransmitter Dopamin gesteuert. Dopamin wird ausgeschüttet, wenn wie eine Belohnung antizipieren und motiviert uns, etwas zu tun, um diese Belohnung zu erhalten. Entwickelt das Gehirn Toleranz, spricht es weniger als vorher auf Dopaminausschüttungen an. Als Folge fühlt man sich weniger motiviert, alltägliche Dinge in Angriff zu nehmen

Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten

Liest man in Recovery-Foren die Berichte von (ehemaligen) Pornonutzern, stolpert man dort häufig über den Begriff „Brain Fog“. Darunter versteht man eine gewisse Benommenheit, Konzentrationsschwierigkeiten und Aufmerksamkeitsprobleme.

Gibt man bei yourbrainonporn.com den Suchbegriff „concentration“ ein, findet man aktuell 83 Seiten mit Erfahrungsberichten von ehemaligen Nutzern, die von verbesserter Konzentration berichten, nachdem sie ihren Pornokonsum eingestellt haben.

Forscher der Universität Duisburg-Essen fanden im Jahr 2012 in einer Studie heraus, dass sich das Anschauen von pornografischen Bildern negativ auf das Kurzzeitgedächtnis (working memory) auswirkt. Das Kurzzeitgedächtnis speichert kurzfristig gerade erst aufgenommene Informationen, die dann unter Umständen ins Arbeitsgedächtnis übernommen werden. Beim Transfer von Informationen vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis spielt die Gehirnregion namens Hippocampus eine wichtige Rolle. Depressionen und erhöhter Stress (beides kommt bei übermäßigem Pornokonsum häufig vor) wirken sich negativ auf den Hippocampus aus.

Einsamkeit/Isolation

Auch hier handelt es sich um einen Teufelskreislauf. Einsamkeit kann zu erhöhtem Pornokonsum führen und dieser kann dazu führen, dass man sich noch mehr isoliert. Eine relativ neue Studie vom April 2021 fand eine positive Korrelation zwischen Pornokonsum und Einsamkeit. Auch gibt es einige Studien, die einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Internetnutzung allgemein, Videospielen und Smartphonenutzung herstellten.

Vor allem ältere Menschen, die noch ohne diese Technologien aufgewachsen sind, wird das kaum überraschen. Während es früher vollkommen normal war, dass man nach der Schule stundenlang mit anderen Kindern spielte, finden viele Hobbys heute hinter einem Bildschirm statt. Viele Nutzer berichten auch, dass ihre Pornosucht zu einem geringeren Selbstvertrauen geführt hat. Das kann wiederum zu mehr Isolation und Einsamkeit führen.

Fußnoten und Quellen:

1) Korrelation ist ein Maß für den Zusammenhang zweier (oder mehrerer) Variablen. Eine positive Korrelation bedeutet „je mehr, desto mehr“, eine negative Korrelation bedeutet „je mehr, desto weniger“. In dieser Studie also: Je mehr (gemessen in Anzahl der Stunden) Pornografie, desto weniger Vernetzung des präfrontalen Cortex mit anderen Gehirnregionen. Hier ist darauf hinzuweisen, dass eine Korrelation nicht zwangsläufig bedeutet, dass eine Ursache-Wirkung-Beziehung vorliegt. D.h. wenn es eine Korrelation zwischen A und B gibt, muss A nicht die Ursache von B oder umgekehrt sein. Es könnte auch eine dritte Variable geben, die A und B beeinflusst oder es könnte Zufall sein. Wenn es eine Korrelation zwischen Pornokonsum und Hypofrontality gibt, muss also der Pornokonsum nicht zwangsläufig die Ursache für Hypofrontality sein. Es gibt aber einen Hinweis darauf, dass Pornokonsum problematisch sein könnte.

1) Kühn, Gallinat – Brain Structure and Functional Connectivity Associated With Pornography Consumption

2) Voon et al. – Neural Correlates of Sexual Cue Reactivity in Individuals with and without Compulsive Sexual Behaviours