Pornosucht-Skeptiker bringen häufig als Argument an, dass Pornografie bereits seit langer Zeit existiert und früher nie zu größeren Problemen wie PIED geführt hat. In der Tat gab es schon vor der Verbreitung des Internets Pornos in Form von Heften oder Videokassetten. Internetpornografie (und heutzutage mobiles Internet mit Hilfe von Smartphones) ist jedoch aus mehreren Gründen eine neue Eskalationsstufe und unterscheidet sich signifikant von herkömmlicher Pornografie.
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Leider vermischen gerade ältere Ärzte oder Psychologen beides häufig. Sie sind aufgewachsen in einer Zeit, in der „Pornografie“ mit einem Playboy-Heft gleichgesetzt wurde. Sie hatten mit ihren eigenen Erfahrungen mit dem Playboy des älteren Bruders keine Probleme und denken nun, dass Pornos doch auch für die heutige jüngere Generation harmlos sei. Es ist aber wichtig, hier zwischen Internetpornografie und vergleichsweise harmlosen Heftchen zu unterscheiden. Im folgenden will ich die 5 größten Unterschiede aufzählen.
1. Internetpornografie ist frei verfügbar
Für Pornohefte, Videokassetten, DVDs oder gewisse Pay-TV-Sender muss man Geld bezahlen. Schon dieser Fakt alleine stellt ein Hindernis dar, da der Inhalt des eigenen Geldbeutels in der Regel begrenzt ist. Internetpornografie hingegeben ist sehr häufig frei erhältlich. Selbst wenn sich komplette Videos hinter einer Bezahlschranke befinden, sind einzelne Szenen daraus frei verfügbar. Es gibt unzählige Webseiten mit kostenlosen Videos und Bildern und es ist problemlos möglich, sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg immer wieder neue Videos anzuschauen, ohne auch nur einen einzigen Cent dafür zu bezahlen – wenn man einmal den Preis für die Internetverbindung an sich vernachlässigt, denn den würde man ja sowieso zahlen.
Ich selbst habe mehr als ein Jahrzehnt lang Pornos im Internet geschaut und nie auch nur einen Cent dafür bezahlt. Es ist problemlos möglich.
2. Internetpornografie ist anonym
Während man für Hefte oder Videos früher in ein Geschäft gehen musste, um die Pornos persönlich zu kaufen oder auszuleihen, reicht dazu heute ein einziger Mausklick. Selbst wenn man sich früher Magazine per Post schicken ließ, wusste der Postbote Bescheid. Dieser persönliche Kontakt beim Kauf sorgt bei vielen Menschen für eine gewisse Hemmung und häufig für ein Schamgefühl, wodurch die Häufigkeit des Kaufs eingeschränkt wird. Diese Hemmung entfällt im Internet komplett. Selbst wenn man den Computer zusammen mit anderen benutzt, kann die Historie innerhalb von wenigen Sekunden gelöscht werden.
3. Internetpornografie ist immer verfügbar
Smartphones brachten uns mobiles Internet und damit ständigen Zugang zu unseren Lieblingswebseiten. Während man früher – wie oben beschrieben – Pornos selbst beschaffen musste, reicht dazu heute ein Griff in die Hosentasche oder das Aufklappen des Laptops. Selbst wenn man Videos oder Hefte früher für längere Zeit nutzte, hatte man diese nicht ständig dabei. Dies hat sich mit dem Internet, spätestens aber mit Erfindung des Smartphones, geändert. Verfügbarkeit von Pornografie ist heute 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag gegeben.
4. Internetpornografie kennt keine Limits
Die Überdosis einer harten Droge kann im Extremfall zum Tod führen. Selbst für viele Verhaltensweisen, die süchtig machen können, gibt es gewisse Limits. Die Menge, die man isst, ist durch das Magenvolumen beschränkt. Auch bei traditioneller Pornografie gibt es Grenzen, was den Inhalt betrifft. Wie viele Videos oder Hefte kann jemand schon besitzen? Irgendwann wird es einfach langweilig. Im Internet hingegen ist die Anzahl der Webseiten, Videos und Genres scheinbar unbegrenzt.
Und auch für die Länge des Pornokonsums gibt es kaum Schranken. Klar wird man irgendwann einmal schlafen und essen müssen – wobei man seine Aktivitäten nicht einmal beim Essen wirklich unterbrechen muss (man muss ja nur eine Hand frei haben). Aber es gibt nicht wirklich ein Sättigungsgefühl.
5. Der Reiz des Neuen (Novelty) wird ständig befriedigt
Ein Heft ist irgendwann einmal ausgelesen (Okay, lesen ist in diesem Zusammenhang wohl der falsche Ausdruck…) und ein Video wird irgendwann langweilig. Da die Anzahl der Pornoseiten im Internet aber unvorstellbare Dimensionen angenommen hat, ist Langeweile fast unmöglich. Es gibt ständig ein neues Video zu schauen, ständig ein neues Genre zu entdecken.
Das ist beim Thema Pornosucht sehr wichtig. Wir haben es hier quasi mit einem unbegrenzten Coolidge-Effekt zu tun. Das menschliche Gehirn ist auf diese Form der Reizüberflutung nicht eingestellt und wird überfordert. Daher kann es im Laufe der Zeit zu zahlreichen Problemen kommen.
Fazit
Das Argument, dass Probleme wie Erektionsprobleme bei jungen Männern nicht auf deren Pornokonsum zurückzuführen sein kann, da es ein (in dieser Dimension) relativ neues Problem ist, es Pornos aber schon ewig gibt, greift hier also nicht wirklich. Wir haben es mit einem völlig neuen Problem zu tun.
Ich mir ist es mit diesem Artikel gelungen, die Unterschiede zwischen Internetpornografie und Heften/Videokassetten klarzumachen. Beides gleichzusetzen hilft Betroffenen nicht weiter. Eher im Gegenteil.
8 Kommentare zu „Was ist der Unterschied zwischen Internetpornografie und herkömmlicher Pornografie?“