Pornosucht Besiegen – Aber wie?

Pornosucht Besiegen ist der Titel dieser Webseite, weshalb es nur sinnvoll ist, einmal aufzuschreiben, was ich darunter überhaupt verstehe.

In Internetforen wie NoFap liest man oft den gut gemeinten Tipp „Verzichte einfach 90 Tage lang auf Pornos und alles wird gut, Bro!“ Es ist allerdings nicht ganz so einfach. Dass ich kein großer Fan dieser Tagesziele bin, habe ich im Artikel 90 Tage bis zum Durchbruch – Wahrheit oder Mythos? Begründet.

Aber wie wird es denn nun gemacht? Hierzu will ich in diesem Artikel ein paar Gedanken aufschreiben, die mir selbst geholfen haben. Ich will auf ein paar Alternativen zu „90 Tage“ und „Einfach die Zähne zusammenbeißen“ hinweisen.

Grundsätzlich ist es sinnvoll, sich zuerst einmal mit dem Problem an sich auseinanderzusetzen. Daher habe ich den Artikel Was ist Pornosucht? geschrieben. Nun muss man sich nicht unbedingt mit dem Problem Pornosucht an sich beschäftigen, um seine Pornosucht besiegen zu können. Und man sollte sich von den wissenschaftlichen Begriffen usw. keinesfalls abschrecken lassen. Denn eines gilt trotz Problemen wie Desensitivierung/Toleranzentwicklung oder Hypofrontality: Wir haben immer eine Wahl!

Pornosucht Besiegen
Pornosucht Besiegen ist der Titel dieser Webseite

Pornosucht besiegen mit Willenskraft?

Informiert man sich zum Thema Pornosucht Besiegen (oder zu allen möglichen Suchtproblemen), stößt man schnell auf das Thema Willenskraft. Es ist eine weitverbreitete Meinung, dass Süchtigen einfach die Willenskraft fehlt. Diese müsse man einfach nur anwenden, um eine Sucht hinter sich zu lassen.

Vor allem bei NoFap sieht man häufig Leute, welche die Tage ohne Pornokonsum zählen und die Zähne zusammenbeißen. Spüren sie ein Verlangen nach Pornos, versuchen sie es zu bekämpfen oder zu unterdrücken.

Allerdings ist das alles nicht ganz so einfach. Es ist richtig, dass starker Pornokonsum mit Hypofrontality assoziiert ist. Und Hypofrontality ist wiederum mit mangelnder Selbstkontrolle assoziiert. Trotzdem gibt es keinen Automatismus, der einen Pornosüchtigen dazu zwingt, Pornos zu schauen. Es ist wichtig, sich immer klarzumachen, dass man eine Wahl hat.

Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum ich kein großer Fan der Willenskraft-Methode bin. Willenskraft ist wie ein Muskel, der bei starker Beanspruchung erschöpft. Es ist unrealistisch, dass man das Verlangen immer wieder erfolgreich bekämpfen kann. Und es bringt auch nichts. Wenn man versucht etwas zu unterdrücken, kommt es später nur umso stärker zurück.

Aber wie kann ich jetzt meine Pornosucht besiegen?

Bisher habe ich nur darüber gesprochen, was nicht oder nur schlecht funktioniert (Willenskraft). Allerdings wird der ein oder andere Leser nun vielleicht denken: „Der Name des Blogs ist Pornosucht Besiegen. Aber wie mache ich das denn jetzt? Komm’ zum Punkt!“

Alles klar. Wir werden uns nun auf das Hauptthema konzentrieren.

Eine Alternative zu Pornografie

Starker Pornokonsum ist mit einer ganzen Reihe von negativen Erscheinungen und Symptomen verbunden. Darunter ist PIED wohl das bekannteste und gefürchtetste Problem, das durch Internetpornografie verursacht wird. Diese Probleme sind aber den meisten Pornonutzern bekannt.

Potenziell negative Konsequenzen wie PIED, Motivationslosigkeit oder Energielosigkeit werden oft als Motivation genutzt, um mit Internetpornos aufzuhören. Und doch funktioniert es selten. Warum ist das so?

Angstmacherei funktioniert nicht wirklich als Motivation zum Aufhören. Wäre das anders, würde so gut wie niemand rauchen. Denn der Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs ist offensichtlich. Es gibt sogar Untersuchungen die zeigen, dass Raucher mehr rauchen, wenn sie diese abschreckenden Bilder auf Zigarettenpackungen sehen. Angst oder Panik führt zu Stress. Und was macht man bei übermäßigem Stress? Der Raucher raucht, der Trinker trinkt und der Pornonutzer schaut Pornos.

Es reicht nicht aus, zu wissen, wovon man weg will. Man muss auch wissen, wohin man stattdessen will. Hat man nur eine Option, kann man so viele negative Punkte dafür aufzählen, wie man will. Wenn es die einzige oder beste Option ist, wird man damit weitermachen. Wer seine Pornosucht besiegen will, benötigt eine alternative Vision ohne Pornografie.

Lebensvision als alternative Option

Es reicht also nicht aus, nur über die negativen Konsequenzen der Pornosucht nachzudenken. Wer von einem bestimmten Punkt weg will und einfach blind losgeht, kann im Nirgendwo landen oder früher oder später wieder am Ausgangspunkt.

Daher ist es wichtig, in etwa zu wissen, wie ein Leben ohne Pornosucht aussehen soll. Das steckt im Prinzip hinter der Aussage Pornosucht Besiegen. Sich ein anderes Leben ohne Pornografie vorstellen und dieses dann leben.

Eine wichtige Übung ist es, sich eine Lebensvision zu überlegen. Hierbei ist Träumen erlaubt und sogar erwünscht. Die Grundfrage hier ist: Wie würde mein Leben aussehen, wenn ich es ändern könnte? Wer will, kann diese Gedanken aufschreiben und regelmäßig durchlesen oder visualisieren.

Man muss hierfür nicht das gesamte Leben durchplanen. Aber es ist wichtig, in etwa zu wissen, in welche Richtung man will. Diese Vision ist die Basis auf dem Weg in ein pornofreies Leben.

Umgang mit Verlangen

Diesem Thema habe ich in meinem Buch Pornosucht Besiegen ein ganzes Kapitel gewidmet (Kapitel 4). Hier will ich ebenfalls kurz auf einige Punkte zum Umgang mit dem Verlangen nach Pornografie erwähnen.

Wie wir oben bereits gesehen haben, bringt es nichts, negative Emotionen und Gedanken unterdrücken zu wollen. Es kann sogar schädlich sein. Wer Lust hat, kann hierzu einmal folgendes Gedankenexperiment machen: In den nächsten zwei Minuten dürfen Sie an alles denken, nur nicht an einen rosa Elefanten. Alles andere ist erlaubt.

Was passiert hier? Die Gedanken an den rosa Elefanten werden kommen. Je mehr wir uns bemühen, diesen Gedanken zu unterdrücken, desto stärker wird der Drang. So etwas in der Art geschieht auch beim Verlangen nach Pornos (oder Alkohol, Drogen etc.). Wir können diese Gedanken vielleicht kurzfristig unterdrücken, aber mittel- und langfristig werden sie nur noch stärker zurückkommen.

Aber wie begegnen wir nun diesem Verlangen, wenn Willenskraft und Unterdrückung nicht funktionieren? Hierfür gibt es ein paar andere Wege.

Akzeptanz- und Commitmenttherapie

Akzeptanz- und Commitmenttherapie (kurz: ACT) ist eine Anwendung aus der Psychologie. Commitment bedeutet in etwa so viel wie „sich zu etwas verpflichten“. ACT wird bei Depressionen, Ängsten und auch Suchtproblemen angewendet.

Das A in ACT steht für Akzeptanz. Es geht hier einfach darum, das Verlangen als etwas Normales zu akzeptieren. Wenn Unterdrücken nichts bringt, wäre es dann nicht besser, es einfach zu akzeptieren? Dieser Gedanke klingt für viele Menschen unbefriedigend. Etwas zu akzeptieren bedeutet aber nicht, den Status Quo einfach so hinzunehmen, ohne etwas verändern zu wollen.

Wenn man sich selbst über viele Jahre und Jahrzehnte wie der Pawlowsche Hund auf eine bestimmte Reaktion konditioniert hat, ist es normal, ein Verlangen danach zu verspüren. Das als normal zu akzeptieren, ist einfach nur rational. Vor allem wenn die Alternative (das Verlangen unterdrücken) nicht funktioniert.

Defusionstechniken

Ein Weg, im Rahmen von ACT mit Verlangen (oder negativen Gefühlen und Emotionen) umzugehen, sind Defusionstechniken. Defusion ist das Gegenteil von Fusion. Das heißt, statt etwas zu verbinden (Fusion), wird es getrennt. In diesem Falle trennen wir die negativen Gedanken von unserer Identität. Nur weil wir einen Gedanken haben, muss dieser nicht zwangsläufig wahr sein.

Ein Weg, dies zu tun, ist ein „Ich habe den Gedanken, dass …“ an den Gedanken voranzustellen. Statt „Ich bin ein Versager“ wäre der Gedanke also „Ich habe den Gedanken, dass ich ein Versager bin“. Das schafft bereits einige Distanz zwischen Gedanken und Identität. Niemand kann uns zwingen, den Gedanken zu glauben oder auch nur ernst zunehmen.

Der Psychologe Russ Harris hat in seinem empfehlenswerten Buch zu ACT, „The Happiness Trap“, einige solcher Defusionstechniken zusammengetragen und das Thema Akzeptanz- und Commitmenttherapie allgemein sehr verständlich erklärt.

Urge Surfing

Urge ist das englische Wort für Verlangen. Bei Urge Surfing nehmen wir das Verlangen wahr und beobachten es. Man beobachtet, wie das Verlangen stärker wird, irgendwann seinen Höhepunkt erreicht und im Laufe der Zeit wieder abebbt. Man nimmt wahr, was sich dabei im Körper abspielt und wie man sich fühlt. Urge Surfing kann daher als eine Art Meditationsübung angesehen werden.

Kann man einen Dopaminschub spüren? Wo spürt man das Verlangen am deutlichsten? Welche Gedanken kommen auf? Wie stark ist das Verlangen? Wann nimmt es wieder ab? Beginnt das Herz schneller zu schlagen und/oder atmet man schneller als sonst?

Das Verlangen nach Pornografie wird hier nicht unterdrückt, sondern einfach nur beobachtet. Kein Verlangen ist von Dauer. Man kann es also einfach wahrnehmen, akzeptieren, und abwarten, bis es wieder verschwindet.

AVRT

Die Abkürzung AVRT steht für Addictive Voice Recognition Technique (freie Übersetzung: Erkennungstechnik für die süchtige Stimme). Es ist ein wichtiger Teil von Rational Recovery bzw. SMART Recovery. Diese Methode wurde von Jack Trimpey entwickelt. Er wollte eine Alternative zu den sogenannten Zwölf-Schritte-Programmen (wie z.B. Anonyme Alkoholiker) schaffen, da er von den dortigen Grundannahmen nicht überzeugt war.

Der Grundgedanke hinter AVRT ist folgender: Wir unterscheiden zwischen dem süchtigen Teil des Gehirns und dem rationalen Teil. Der rationale Teil ist der Bereich namens Neocortex. Dieser Gehirnbereich ist u.a. zur Ausübungen von Selbstkontrolle und zur Konzentration zuständig und kann daher durchaus als rational bezeichnet werden. Der andere Teil ist das „alte Gehirn“, das bereits da war, bevor der Mensch den Neocortex entwickelte. Dieser Teil des Gehirns enthält unsere Instinkte.

Dieser süchtige Teil will uns davon überzeugen, Pornos zu schauen (oder zu trinken, zu rauchen etc.). Der rationale Teil will uns davon abhalten. Jack Trimpey ist der Meinung, dass der rationale Teil das „Ich“ ist, also die eigene Persönlichkeit ausmacht. Der süchtige Teil hingegen liegt außerhalb des Ichs und kann im Prinzip als eine andere Person betrachtet werden.

In AVRT achtet man genau darauf, was der süchtige Teil erzählt, wenn er einen dazu überreden will, das Suchtmittel der Wahl zu konsumieren.

Pornosucht besiegen mit AVRT

Der süchtige Teil des Gehirns sagt dann Dinge wie:

  • „Nur ein kurzer Blick – vielleicht fünf Minuten – wird nicht schaden.“
  • „Hin und wieder Pornos schauen ist völlig normal. Jeder macht es.“
  • „Es ist nun mal eine Krankheit. Ich habe keine Kontrolle darüber. Warum also sollte ich es überhaupt probieren?“
  • „Ich hatte jetzt einen Rückschlag, also kommt es auf einmal mehr oder weniger auch nicht mehr an.“

Das sind nur ein paar Beispiele. Es ist von Person zu Person unterschiedlich.

Wenn man sich dieser Gedanken bewusst wird, kann man in einem ersten Schritt das Wort „Ich“ durch „Es“ ersetzen. Aus „Ich will Pornos schauen“ wird dann „Es will Pornos schauen“. Aus „Ich brauche Pornos zum Entspannen“ wird „Es denkt, es brauche Pornos zum Entspannen“ usw. Diese einfache Änderung schafft Distanz zwischen dem Ich und „dem Biest“. Das erinnert an die bereits beschriebenen Defusionstechniken aus ACT.

Der rationale Teil in uns kann diese Gedanken dann mit rationalen Gedanken entkräften. Anstatt wie früher den Wünschen des süchtigen Gehirns einfach zu folgen, können wir ihm jetzt rationale Argumente entgegenhalten. Nehmen wir das erste Beispiel aus der obigen Liste: „Nur ein kurzer Blick – vielleicht fünf Minuten – wird nicht schaden.“ Dem könnte man entgegen halten: „Es bleibt nie bei fünf Minuten, sondern dehnt sich immer auf eine Art und Weise aus, dass ich es hinterher stark bereue.“

Das C in ACT

Wie oben bereits beschrieben, gehört zu ACT neben A(kzeptanz) auch C(ommitement). Das Verlangen noch Pornografie als etwas Normales zu akzeptieren, bedeutet nicht, nicht dem einfach hinzugeben und sich dem Schicksal zu fügen.

Aus diesem Grund war das Entwickeln einer alternativen Option, der Lebensvision, so wichtig. Nachdem man das Verlangen wahrgenommen und akzeptiert hat, kann man sich nun eine bessere Alternative machen. Dafür kann man sich die folgende Frage stellen:

Was kann ich jetzt in diesem Moment machen, das mich meinen Zielen und meiner Vision näher bringt als Pornos zu schauen?

Und diese Sache macht man dann einfach. Es geht einfach nur darum, eine bessere Option zu finden. Das gilt auch für negative Gefühle wie Stress, Einsamkeit oder Langeweile. Es ist normal, sich manchmal so zu fühlen. Aber das bedeutet nicht, dass man deshalb gleich zu Internetpornografie greifen muss.

Diesen Gefühlen kann man anders begegnen. Es gibt bessere Optionen. Und über die müssen wir uns bewusst werden.

Fazit

Um die Pornosucht besiegen zu können, reicht es leider nicht, einfach die Zähne zusammenzubeißen und unerwünschte Gedanken zu unterdrücken. Würde das funktionieren, wären Internetforen nicht voll von Betroffenen auf der Suche nach Lösungen.

Es ist außerdem nicht ausreichend, sich einfach nur die negativen Konsequenzen von starken Pornokonsum klarzumachen, Diese Konsequenzen gibt es, aber sie sind bekannt. Und trotzdem machen Millionen von Pornonutzern täglich damit weiter.

Die Basis ist es, bessere Optionen zu finden. Was eine bessere Option darstellt, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Es geht nicht um das Leben, welches andere Menschen für richtig halten. Es geht um ein Leben, das man selbst für richtig hält.

Weitere Gedanken habe ich in meinem oben verlinkten Buch beschrieben.