Gibt es heute mehr Erektionsstörungen bei jungen Männern?

In diesem Blog haben wir bereits einige Artikel über Erektionsstörungen gesehen. Zu nennen wären hier Was ist PIED? oder Was tun bei Erektionsstörungen? Da es auf dieser Seite um Pornosucht geht, ist natürlich klar, dass ich Erektionsstörungen und Internetpornografie miteinander in Verbindung bringe.

Heute will ich daher einmal der Frage auf den Grund gehen, ob es überhaupt Grund zur Besorgnis gibt und falls ja, ob das wirklich mit Pornografie zu tun haben kann. Für die erste Frage ist wichtig, ob Erektionsprobleme unter jüngeren Männern überhaupt zunehmen. Jung würde ich hier als 40 Jahre oder jünger definieren, da diese Zahl erstens auch in Studien verwendet wurden und man zweitens in diesem Altersbereich historisch betrachtet keine großartigen Probleme beobachten konnte.

Steigt die Anzahl der jungen Männer mit Erektionsproblemen?

Diese Frage wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten bereits untersucht. Wichtig ist hier der Vergleich zu früher, also zu Zeiten ohne Internet. Private Internetnutzung hat sich etwa in den Jahren um die bzw. vor der Jahrtausendwende durchgesetzt. Die großen Pornoseiten (sogenannte „Tube-Sites“) gibt es in etwa seit 2006 oder 2007.

Die nachfolgenden Zahlen und Daten stammen größtenteils aus einem Artikel von 2016, der mehrere solcher Studien zusammenfasste [1]. Einige dieser Zahlen zitiere ich auch in der Einleitung meines Buchs.

In einer Analyse aus dem Jahr 2002 (also noch relativ gesehen in der Anfangszeit des Internets und vor den großen Pornoseiten) wurde mehrere ältere Studien zusammengefasst und man fand Erektionsstörungen bei etwa 2% aller Männer im Alter von 40 Jahren oder jünger. Diese niedrige Zahl dürfte nicht sonderlich überraschen, da Erektionsprobleme traditionell mit älteren Männern in Verbindung gebracht werden. In der gleichen Analyse wurden für Männer zwischen 40 und 80 Jahren Raten von 13% festgestellt.

Im Jahr 2011 wurde diese Studien in mehrere europäischen Ländern wiederholt. Hierbei lag die Rate der jüngeren Männer (bis 40 Jahre) mit Erektionsproblemen je nach Land bei 14-28%. Diese Zahlen sind aus zwei Gründen bemerkenswert. Erstens handelt es sich hier um eine Steigerung von bis zu 1000%!* Zweitens lag die Anzahl der betroffenen Männer im jüngeren Bereich (bis 40) im Jahr 2011 höher als die der „älteren“ Männer (40 bis 80) in den Studien vor 2002. Das ist eine wirklich dramatische Veränderung, die sich nicht einfach so Beiseite wischen lässt.

In dem oben erwähnten Artikel gibt es noch weitere solcher Studien und Umfragen, die zeigen, dass die Anzahl der mehr oder weniger jungen Männer mit Erektionsproblemen in den letzten etwa 20 Jahren stark angestiegen ist.

Ist Internetpornografie der Grund für den Anstieg?

Gegner der These, dass die steigenden (man könnte auch sagen explodierenden) Fälle von Erektionsproblemen bei eher jungen Männern mit Pornokonsum zusammenhängen, führen oft an, dass es dafür auch andere Gründe geben könnte. Beispielsweise Rauchen, ungesunde Ernährung, Alkohol etc.

Hierzu ist zu sagen, dass der Konsum dieser Dinge um die Jahrtausendwende nicht wirklich zugenommen hat. Rauchen beispielsweise kann in der Tat zu Erektionsproblemen führen. Langjährige Raucher leiden teils an Durchblutungsstörungen und Gefäßverkalkungen, was zu Erektionsstörungen führen kann. Allerdings ist dies ein langwieriger Prozess, der Jahrzehnte dauern kann. Dadurch lässt sich nicht die Zunahme an ED bei jungen Männern erklären. Zudem ist die Anzahl der Raucher nicht explodiert. Das Problem scheint nicht wirklich zwischen den Beinen zu liegen, sondern eher zwischen den Ohren.

In einer Studie aus dem Jahr 2022 [2] wurden Männer zwischen 18 und 35 Jahren befragt. Hierbei berichteten 21,48% aus dieser Gruppe, dass sie Erektionsprobleme hatten, als sie in den letzten vier Wochen sexuell aktiv waren. Das ist ein wichtiger Punkt, da es sich hier nicht um Phantasiezahlen handelt. Die Betroffenen hatten es kurz vorher selbst erlebt.

Zusammenhang mit Pornokonsum

Die Forscher beließen es aber nicht dabei, sondern befragten die Versuchspersonen auch noch ihrem Umgang mit Internetpornografie. Hierbei wurde ein signifikanter Zusammenhang festgestellt. Aus der Gruppe, die am wenigsten Pornografie konsumierte (unterste 25%), hatten 12,9% Probleme mit Erektionsproblemen zu kämpfen. Bei den obersten 25% waren es 34,5%. Spaltet man diese Gruppe weiter auf und betrachtet die 117 Personen mit dem meisten Pornokonsum, litten davon 58 (49,6%) an Erektionsproblemen, also einer weniger als die Hälfte.

Wichtig zu erwähnen ist auch, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen ED und Masturbation gab. Das heißt nur Pornokonsum erhöht das Risiko für ED, aber nicht Masturbation alleine. Somit fällt auch dies als möglicher Grund für den steilen Anstieg an Erektionsstörungen bei jungen Männern weg.

Nebenbei bemerkt hatten 98,98% der Versuchspersonen in dieser Studie Pornos geschaut (manche mehr, manche weniger), also fast alle. Das zeigt, wie weit verbreitet Internetpornografie heutzutage ist.

Fazit

Die Zahl der eher jungen Männer mit Erektionsstörungen (meiner Meinung nach PIED) ist nach der Jahrtausendwende regelrecht explodiert. Während es früher in dieser Altersgruppe kaum vorkam, ist es heute nichts ungewöhnliches mehr. Der Zeitraum fällt zusammen mit der Verbreitung von schnellem Internet und Internetpornografie, die sich immer schneller verbreitet.

In der oben erwähnten Studie aus 2022 wurde auch ein klarer Zusammenhang zwischen Pornokonsum und ED festgestellt. Je mehr Pornos, desto mehr Probleme. Ich sehe daher die Verbreitung von Internetpornografie als Hauptgrund für die steigenden Zahlen von Erektionsstörungen an, auch wenn es noch andere geben mag.

Seit vielen dieser Umfragen sind wieder einige Jahre vergangen und seitdem hat sich mit der Verbreitung von mobilem Internet und Smartphones wieder einiges getan. Es ist heute noch einmal viel einfacher, an Pornografie zu kommen und diese fast pausenlos zu konsumieren. Ich befürchte daher, dass es in Zukunft noch mehr Fälle von PIED geben wird und die Zahlen noch weiter steigen.

 

Anmerkung:
*) Prozent (%) ist nicht zu verwechseln mit Prozentpunkten. Wenn wir beispielsweise 2% (2 von Hundert) und 20% vergleichen, handelt es sich um eine Steigerung von 18 Prozentpunkten, aber 1000%.

Quellen:
[1] Park BY et al. – Is Internet Pornography Causing Sexual Dysfunctions? A Review with Clinical Reports
[2] Jacobs T et al. – Associations Between Online Pornography Consumption and Sexual Dysfunction inYoung Men: Multivariate Analysis Based on an International Web-Based Survey

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