Gibt es einen Zusammenhang zwischen Pornosucht und Depressionen?

Starker Pornokonsum ist mit einigen Problemen und Symptomen verknüpft. Vor allem sind hier natürlich Erektionsstörungen zu nennen. Kaum ein anderes Problem ist so sehr mit Internetpornografie verbunden. Aber schaut man sich in Selbsthilfe-Foren im Internet um (oder z.B. bei Reddit), berichten einige Nutzer auch von psychischen Problemen, die sie mit ihrem Pornokonsum in Verbindung bringen. Hier ist vor allem der Zusammenhang zwischen Pornosucht und Depressionen hervorzuheben.

Aber warum liest man so häufig von dieser Verbindung? Kann Pornosucht Depressionen verursachen oder ist es vielleicht doch eher umgekehrt? Und warum ist das so? Diese Fragen will ich versuchen in diesem Artikel zu beantworten.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Pornosucht und Depressionen?

Bevor wir uns die Frage nach Ursache und Wirkung stellen, sollten wir uns zunächst einmal damit beschäftigen, ob es diese Verbindung von Pornosucht und Depressionen überhaupt gibt. Wenn man eine Verbindung zwischen A und B feststellt, bedeutet das noch nicht, dass B aus A folgt oder umgekehrt. Trotzdem muss ein solcher Zusammenhang erst einmal festgestellt werden, bevor man sich näher mit der genauen Beziehung beschäftigen kann.

Nehmen wir zum Beispiel einmal Rauchen und Lungenkrebs. Dass Rauchen Lungenkrebs verursachen kann, ist heute nicht mehr besonders umstritten. Aber bevor man die Frage untersuchen konnte, ob Rauchen Lungenkrebs verursachen kann, musste zuerst einmal jemand einen Zusammenhang feststellen. Also dass mehr Raucher an Lungenkrebs erkranken.

Erfahrungsberichte und Studien als Basis

Aber nun zum Thema Depressionen und Pornosucht. Was ich häufig zuerst mache, wenn ich ein solches Thema recherchieren will, ist auf die Startseite von YourBrainOnPorn (YBOP) zu gehen. Dort werden seit mehr als einem Jahrzehnt Artikel, Erfahrungsberichte und Studien zum Thema Pornosucht gesammelt.

Wenn ich dort in das Suchfeld „Depression“ eingebe, bekomme ich (Stand: Februar 2024) 261 Seiten voller Suchergebnisse. Da es zehn Ergebnisse pro Seite gibt, sind das mehr als 2.500 Artikel, in denen das Wort „Depression“ vorkommt. Die meisten davon sind Erfahrungsberichte von ehemaligen Pornonutzern. Sie beschreiben sehr häufig, wie sich ihre Depressionen besserten oder ganz in Luft auflösten, nachdem sie für einige Wochen oder Monate auf Pornografie verzichteten.

Es gibt also jede Menge Erfahrungsberichte. Ich selbst war auch lange Zeit in einem Forum aktiv und habe diese Berichte dort immer wieder gesehen. Auch an mir selbst habe ich diesen Effekt beobachtet. Meine depressiven Symptome waren am schlimmsten, wenn ich Pornos geschaut habe. In Phasen von längerer Abstinenz fühlte ich mich viel besser.

Neben vielen Berichten gibt es aber auch einige Studien, die vom Zusammenhang zwischen Pornos und Depressionen berichten. Ich will hier nur einige davon aufzählen. In einer Studie aus dem Jahr 2019 hatten (religiöse) Pornonutzer ein erhöhtes Aufkommen an Depressionen drei Monate später [1]. In einer chinesischen Studie unter Schülern aus 2017 hatten die Schüler mehr Depressionen, je mehr Pornografie sie anschauten [2]. Auch in einer recht neuen Studien von April 2023 wurde ein Zusammenhang festgestellt [3].

Abgesehen von Pornografie gibt es auch jede Menge Studien, die einen Zusammenhang zwischen Depressionen und Internetsucht allgemein, Smartphonesucht und Internet-Spielsucht feststellten.

Kann Pornosucht Depressionen verursachen?

Es gibt also einen ziemlich deutlichen Zusammenhang zwischen Pornosucht und Depressionen. Jetzt bleibt aber noch die Frage, ob Pornosucht Depressionen verursachen kann, oder ob es umgekehrt ist (depressive Menschen schauen mehr Pornos), oder vielleicht beides.

Die unzähligen Erfahrungsberichte auf YBOP geben bereits einen deutlichen Hinweis darauf, dass tatsächlich Pornosucht Depressionen verursachen kann. Denn was wir immer wieder lesen, ist dass die Depressionen verschwinden, wenn jemand einmal für Wochen oder Monate keine Pornos mehr schaut. Wenn in diesen Fällen die Depressionen zuerst da gewesen wären und die Pornosucht daraus folgte, würde es keinen großen Sinn ergeben, wenn die Depression einfach so verschwinden würde, nur weil man keine Pornos mehr schaut.

Aber was genau steckt dahinter? Warum kann starker Pornokonsum im Einzelfall zu Depressionen oder einer depressiven Verstimmung führen? Das ist noch nicht wirklich untersucht. Ich halte aber mehrere Erklärungsansätze für möglich und mehr oder weniger logisch begründbar. Diese will ich im Folgenden aufzählen.

1) Toleranzentwicklung (Desensitivierung)

Im Artikel Was ist Pornosucht? haben wir drei Änderungen der Gehirnstruktur kennengelernt. Dazu gehört auch die Toleranzentwicklung oder Desensitivierung. Was hier geschieht ist folgendes: Bei vielen starken Pornonutzern ist irgendwann das, was sie aktuell anschauen, nicht mehr genug. Was sie zu Beginn noch erregt hatte, ist immer langweiliger geworden. Sie benötigen härtere oder einfach andere Genres und/oder verbringen deutlich mehr Zeit mit Pornos.

Es werden aber im Laufe der Zeit nicht nur das alte Material langweilig, sondern auch alltägliche Dinge. Das Gehirn hat sozusagen eine Toleranz gegenüber normalen und natürlichen Dopaminausschüttungen entwickelt. Für Dinge, die man früher gerne gemacht hat, empfindet man nun keine Motivation mehr. Gegen die Reizüberflutung (siehe auch Coolidge-Effekt) durch Internetpornografie kommt ansonsten nichts mehr an. Daher auch die Motivationslosigkeit, die viele Pornosüchtige im alltäglichen Leben verspüren.

Das kann sich aber auch in Depressionen äußern. Man empfindet einfach keine ausreichende Motivation mehr und Dinge des Alltags bringen keine Freude mehr.

2) Moralische Gründe

In der ersten oben aufgelisteten Studie habe ich ja bereits erwähnt, dass es sich hier im religiöse Nutzer handelte. Gerade sehr religiöse Menschen empfinden sehr häufig Schamgefühle, wenn sie Pornografie anschauen. Sie sehen es als eine Sünde an und auf diese Weise kann Pornosucht Depressionen auslösen.

Das ist aber überhaupt nicht auf religiöse Menschen beschränkt. Viele starke Pornonutzer empfinden Schamgefühle. Das hängt auch mit der oben beschriebenen Toleranzentwicklung zusammen. Man schaut sich nun vielleicht Genres an, von denen man früher angeekelt war und es im Prinzip auch immer noch ist. Das Material, welches sich viele Pornosüchtige anschauen, steht in Konflikt mit ihren Werten und Überzeugungen. Depressive Symptome sind dann fast eine natürliche Folge.

3) Indirekt durch Stress und Schlafprobleme

Bei manchen Betroffenen besteht auch die Möglichkeit, dass Pornokonsum nicht direkt zu Depressionen führt sondern eher über Umwege. Depressionen sind beispielsweise oft mit Stress und/oder Schlafproblemen verknüpft. Und beides kann auch durch übermäßigen Pornokonsum ausgelöst werden.

Pornosucht und Depressionen durch Stress

Ehemalige Nutzer berichten auch häufig, dass sie sich deutlich weniger gestresst fühlen und besser schlafen, nachdem sie Pornos aufgegeben haben. Dies geht einher mit einer Besserung oder kompletten Eliminierung der depressiven Symptome. Es ist in manchen Fällen daher auch denkbar, dass der Zusammenhang zwischen Pornosucht und Depressionen über Umwege geschieht.

Können Depressionen auch Pornosucht auslösen?

Das wäre dann der umgekehrte Fall. Die Logik dahinter ist, dass depressive Menschen einfach mehr Pornos schauen. Beides schließt sich aber nicht gegenseitig aus.

Ich denke, dass beides zur gleichen Zeit auftreten kann. Hierbei handelt es sich dann um einen Teufelskreislauf. Der übermäßige Pornokonsum hat die Depression vielleicht ausgelöst. Aber dadurch, dass man deprimiert ist, schaut man noch mehr Pornos. Wenn Internetpornografie das einzige im Leben ist, was noch hohe Dopaminausschüttungen bewirkt, würde es Sinn ergeben, dass Betroffene noch mehr davon schauen. Es ist dann ein Kreislauf, der irgendwie durchbrochen werden muss.

Ich denke aber nicht, dass es nur diese Richtung (Depressionen => Pornosucht) ist. Denn wie weiter oben bereits beschrieben, würde es dann keinen Sinn ergeben, dass die Depression ohne Pornokonsum wieder verschwindet.

Fazit

Einen Zusammenhang zwischen Pornosucht und Depressionen gibt es durchaus. Tausende Erfahrungsberichte deuten daraufhin, dass für viele Betroffenen der starke Pornokonsum der Auslöser für die Depression war. Es ist aber auch sehr gut möglich, dass beides sich gegenseitig verstärkt. Das war auch bei mir persönlich der Fall. Ich hab oftmals mehr Pornos geschaut, wenn ich in einer depressiven Stimmung war.

Dieses Teufelskreislauf kann übrigens auch für andere Symptome gelten, wie z.B. Stress. Stundenlanger Pornokonsum führt zu mehr Stress, und der Stress soll dann mit noch mehr PMO (kurzfristig) gelindert werden.

Im Endeffekt bleibt nicht anderes übrig als das, was tausende ehemalige Nutzer bereits zuvor gemacht haben: Pornos aufgeben (mehr dazu unter Pornosucht Besiegen – Aber wie?) und schauen, wie sich die Depression entwickelt.

Es kann unter Umständen auch sein, dass es zuerst einmal schlechter wird, bevor eine Besserung eintritt. Das heißt, in den ersten Wochen ohne Pornos fühlt man sich dann noch depressiver, weil man sich für nichts mehr motivieren kann. In diesem Fall und auch ansonsten bei ernsthaften Depressionen sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

 

Quellen

[1] Maddock ME. – What Is the Relationship Between Religiosity, Self-perceived Problematic Pornography Use, and Depression Over Time?

[2] Min A., Zhihong C., Xiaogang W., Zou PengCao Z. – Current situation of pornography use in senior college male students and its correlation with their depression-anxiety-pressure

[3] Noel JK, Jacob S., Swanberg, J., Rosenthal, S. – Pornography: A Concealed Behavior with Serious Consequences

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