Buchvorstellung: Kelly McGonigal – The Willpower Instinct

Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass Menschen mit Suchtproblemen einfach nur die nötige Willenskraft (Englisch: Willpower) und Selbstkontrolle fehlt. Wir haben beim Thema Was ist Pornosucht? bereits gesehen, dass es nicht ganz so einfach ist. Suchtproblemen liegen häufig Änderungen in der Gehirnstruktur zugrunde, die mit dafür verantwortlich sind, dass die Willenskraft eingeschränkt ist (Im Falle von „Hypofrontality“). Der gut gemeinte Ratschlag „Du musst einfach nur mehr Willenskraft ausüben“ ist daher mit Vorsicht zu genießen.

The Willpower Instinct

Trotzdem ist Willenskraft ein interessantes Thema. Die Stanford-Professorin Kelly McGonigal (nicht zu verwechseln mit der etwas anders geschriebenen Hogwarts-Professorin) hat dazu im Jahre 2012 mit The Willpower Instict ein sehr gutes und interessantes Buch geschrieben. Dieses Buch entstand aus einer sehr beliebten Vorlesung der Stanford University. Die Autorin räumt darin mit einigen Mythen zum Thema Willenskraft oder Selbstkontrolle auf, definiert, worum es sich eigentlich handelt und gibt Tipps, wie wir mehr Selbstkontrolle ausüben können.

Ein erster wichtiger Punkt ist, dass Willenskraft vergleichbar mit einem Muskel ist. Einen Muskel kann man auf der einen Seite trainieren, damit er stärker oder ausdauernder wird. Auf der anderen Seite ermüdet er aber auch bei Anstrengung und man kann z.B. nicht beliebig viele Kniebeugen machen, sondern muss dem Muskel irgendwann Regeneration gönnen. Das gleiche Prinzip trifft auf Willenskraft zu. Auch sie ist keine unendliche Ressource und ermüdet mit der Zeit. McGonigal beschreibt dies anschaulich mit einigen Studien, in denen Versuchspersonen weniger Selbstkontrolle ausüben konnten, wenn sie das bereits vor dem Experiment mussten und daher bereits etwas „ermüdet“ waren. Wie bei der Muskulatur ist Selbstkontrolle davon abhängig, wie viel potenzielle Energie dem Körper (und dem Gehirn) zur Verfügung steht. Wer niedrigen Blutzucker hat, ist weniger in der Lage, Willenskraft auszuüben.

Die Muskel-Analogie funktioniert aber auch in die andere Richtung. Trainiert man einen Muskel und lässt ihm danach genügend Regenerationszeit, passt er sich an die neue Belastung an und wird stärker. So können wir im Laufe der Zeit größere Belastungen aushalten, die zu Beginn noch nicht möglich waren. Im Artikel zu den Änderungen in der Gehirnstruktur haben wir bereits den Begriff „Hypofrontality“ kennengelernt. Damit ist im Prinzip gemeint, dass die Gehirnregion namens präfrontaler Cortex geschwächt ist und weniger gut mit anderen Gehirnregionen kommunizieren kann. Der präfrontale Cortex hilft uns aber dabei, uns auf etwas zu konzentrieren und Selbstkontrolle auszuüben. Glücklicherweise kann diese Gehirnregion, selbst wenn sie geschwächt wurde, auch wieder trainiert werden. Kelly McGonigal gibt hierfür einige Hinweise.

Zum Beispiel ist Meditation gut geeignet, um den präfrontalen Cortex und damit die Willenskraft zu trainieren. Vor allem in der westlichen Welt halten viele Menschen Meditation für eine spirituelle Spinnerei und verbinden damit Menschen, die im Schneidersitz auf dem Boden sitzen und dabei komische Geräusche machen. Meditation ist aber eigentlich ganz einfach. Es geht dabei darum, die Aufmerksamkeit auf eine Region des Körpers, ein Gefühl oder auch ein Geräusch zu lenken. Für Anfänger ist es einfach, sich auf den eigenen Atem zu konzentrieren und diesen einfach zu beobachten. Wenn die Gedanken abschweifen (und das werden sie sehr häufig, was kein Zeichen für Versagen ist) und man das merkt, bringt man die Aufmerksamkeit einfach wieder zum eigentlichen Ziel zurück. Beginner können dies einfach üben, indem sie mit 5 Minuten pro Tag starten.

Willenskraft ist außerdem stark mit Herzfrequenzvariabilität (heart rate variability) assoziiert. Damit ist nicht eine hohe oder eine niedrige Herzfrequenz gemeint, sondern die Varianz in der Zeit zwischen zwei Herzschlägen. Das Herz schlägt nicht immer mit der gleichen Frequenz. Normalerweise steigt die Herzfrequenz etwas bei Einatmen und sinkt beim Ausatmen. Eine hohe Herzfrequenzvariabilität ist mit mehr Selbstkontrolle und z.B. auch weniger Stress assoziiert. Man kann sie trainieren, indem man z.B. die Atmung auf vier bis sechs Atemzüge pro Minute verlangsamt.

Insgesamt ist Kelly McGonigal mit The Willpower Instinct ein sehr interessantes Buch gelungen. Es räumt nicht nur mit einigen Vorurteilen auf und definiert, was Willenskraft überhaupt bedeutet. Es gibt auch einige gute Hinweise darauf, wie man die Willenskraft trainieren und in Zukunft mehr Selbstkontrolle ausüben kann.

 

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